Jakobsweg Einsiedeln-Genf

Gerne denke ich an den letztjährigen Sommer zurück, vor genau einem Jahr neigte sich mein Pilgerweg nach Santiago dem Ende zu. Am 18. Mai 2009 startete ich in Einsiedeln nach Santiago de Compostela. Eigentlich bin ich alles andere als ein Weitwanderer, zwar bin ich sehr gerne in den Bergen, aber ein Marsch von ca. 4 Stunden ist für mich eigentlich mehr als genügend.

Die Idee den Jakobsweg zu gehen kam mir im Herbst 2003. Nach einem Unfall mit dem Mountainbike verbrachte ich 3 Monate im Paraplegiker-Zentrum in Nottwil. Speziell die anderen Patienten, ausnahmslos in einem schlimmeren Zustand als ich, brachten mich sehr zum Nachdenken. Bisher nahm ich das Gehen gar nie richtig war, ein gesunder Körper war einfach selbstverständlich. Mehr und mehr reifte der Gedanke diesen Pilgerweg als Dank für das grosse Glück zu gehen, eine perfekte Gelegenheit sich dem Gehen bewusst zu werden. Der Plan war innerlich gefasst, der Zeitpunkt noch offen.

Nachdem 2008 meine Arbeitgeberfirma verkauft wurde und ich mit der neuen Situation nicht ganz glücklich war, sah ich den Zeitpunkt gekommen, um den Vorsatz in die Tat umzusetzen und kündigte meine Arbeitsstelle. Dies, obwohl die wirtschaftliche Situation nicht optimal war, die Krise hatte nun auch die Schweiz erreicht. Die Suche nach einem neuen Job wollte ich trotzdem erst nach meiner Rückkehr in Angriff nehmen, um so im Kopf frei für neue Gedanken zu bleiben.
Als Test ging ich mit ca. 12 kg Gewicht bepackt einmal um den Sempachersee, ca. 22 km, um zu prüfen, ob dies für mich überhaupt machbar ist. Diese kleine Testtour verlief ohne Probleme und so machte ich mich an die Vorbereitung. Mein Augenmerk galt dem Gepäck, das Gewicht sollte möglichst gering sein, darum wurde eine detaillierte Packliste erstellt und die Gewichte der einzelnen Gegenstände notiert. Nach und nach strich ich ein Gepäckstück nach dem Anderen, bis ich inkl. Rucksack auf 8,5 kg kam. Nicht einberechnet ist die Kamera, ein Objektiv und Zubehör wie Speicherkarte, Akkus/Ladegerät und GPS Gerät für die Kamera. Dies machte nochmals 1 ½ kg aus und war mein Luxuskilo, dieses Zusatzgewicht stand immer ausser Diskussion. Speziell das GPS-Gerät war im Nachhinein eine sehr gute Sache, es schrieb die Position gleich beim Fotografieren in die Bilddatei, so kann ich nun jedes Foto einem genauen Standort zuordnen.
Auf Unterhaltung wie IPod oder Bücher verzichtete ich gänzlich. Einzig zwei Bücher kamen mit ins Gepäck, ein Reiseführer und das Stundenbuch.
Für die ca. 2300 km gab ich mir ca. 100 Tage, es waren also keine sportliche Ambitionen vorhanden, vielmehr wollte ich mir Zeit nehmen, um die Dörfer und Städte anzuschauen. Kurz vor der Abreise fand ich zufällig eine neue Wohnung und der neue Vermieter erlaubte mir meine Möbel unterzustellen, dies ohne während der Abwesenheit Miete zu zahlen, auch dies traf sich perfekt. Der Umzug zwei Tage vor meiner Abreise war dann doch mühsamer als angenommen (besten Dank an meine Helfer), irgendwie hatte sich in den letzten 10 Jahren doch einiges angesammelt. Ich packte nur das Nötigste aus, den bis zur Abreise blieb mir ja nur ein Tag. Am Tag vor der Abreise war ich recht nervös, allerhand eher negative Gedanken gingen mir durch den Kopf, aber schlussendlich impfte ich mir ein: Es gibt kein Zurück – Du gehst diesen Weg bis an den Atlantik.

Da die Route ab Haustüre von Sursee über Willisau ins Bernische führte, entschloss ich mich in Einsiedeln zu starten, das Gebiet um den Vierwaldstättersee und das Berner Oberland wollte ich mir aus landschaftlichen Gründen auf keinen Fall entgehen lassen.
Am Montag, dem 18. Mai 2009 war es so weit, ich wurde per Auto nach Einsiedeln geführt. Nach einem Besuch in der Klosterkirche hiess es nun für ca. 3 Monate Abschied nehmen und ich ging mit Rucksack beladen die erste Etappe nach Brunnen an. Glücklicherweise habe ich im Reiseführer das Höhenprofil nicht angeschaut, denn der Weg nach Brunnen führte doch über etliche Höhenmeter. Müde in Brunnen angekommen wollte ich mich gerade auf die Suche nach einer geeigneten Schlafgelegenheit machen, da wurde ich von jemand mit österreichischem Akzent angesprochen, ob ich ein Pilger sei. Ich war etwas erstaunt, den ich sah eigentlich wie ein gewöhnlicher Wanderer aus. So kamen wir ins Gespräch und ich lernte Manfred aus der Nähe von Wien kennen. Er ging jedes Jahr einige Wochen ein Stück des Weges und gab mir den Tipp, auf dem nahen Bauernhof im Stroh zu übernachten. Zum Abendessen gab es Feines vom Grill und beim Gespräch am Tisch lernte ich noch Martin aus Deutschland kennen, auch er machte jedes Jahr zwei Wochen lang ein Stück des Weges. Wir entschlossen und den Weg bis nach Genf gemeinsam zu gehen. Für mich war dies der perfekte Einstieg in den Jakobsweg. Wir liessen und genug Freiraum, so bin ich etliche Etappen alleine gegangen und wir trafen uns jeweils am Abend wieder.

Da die Infrastruktur in der Schweiz mehr auf Touristen als auf Pilger ausgerichtet ist, stellt sich jeden Abend die Frage nach einer geeigneten Übernachtungsmöglichkeit. Es gibt da eigentlich vier Möglichkeiten, Schlafen im Stroh, Jugendherberge, Bed and Breakfast oder Hotel. Persönlich bevorzugte ich das Schlafen im Stroh. Nach und nach gewöhnte ich mich an das Gehen, ich war zwar jeden Abend sehr müde, jedoch morgens wieder recht fit. Die Route führte von Stans über den Brünig ins Berner Oberland, über  Fribourg nach Lausanne und dem Genfersee entlang nach Genf. Zweimal nahm ich ein Hilfsmittel in Anspruch, die Fähre von Brunnen nach Treib und von der Beatenbucht nach Spiez. Da ich ein schlechter Schwimmer bin, gönnte ich mir diese Transportmöglichkeit 😉
Auf der Strecke zischen Spiez und Fribourg bin ich doch etliche Male vom Weg abgekommen und habe dadurch einige Zusatzkilometer gemacht, evtl. war ich nicht aufmerksam genug und habe einige Wegweiser verpasst oder die Beschilderung war doch nicht so optimal. Auf jeden Fall passierte mir dies auf dem ganzen weiteren Weg nach Santiago nicht mehr so oft. Nach 14 Tagen kam ich endlich in Genf an und ich dachte mir, wow du bist zu Fuss bis nach Genf gegangen, dies hätte ich mir vorher nie zugetraut. Zwar war es noch ein weiter Weg nach Santiago, aber dies war irgendwie gar nicht präsent, ich war überglücklich es bis nach Genf geschafft zu haben und nahm einfach jeder einzelne Tag für sich, ohne einen Kilometer-Countdown zu starten.
Es war nun an der Zeit mich von Manfred und Martin zu verabschieden. Ich gönnte mir 2 Tage lang eine Pause und leistete mir den Luxus eines Hotelzimmers. Eine gute Gelegenheit die Stadt zu besichtigen, waren mir doch nur die Palexpogelände und der Flughafen bekannt.

Rückblickend war der Weg durch die Schweiz doch sehr anspruchsvoll, sehr viele Kilometer sind auf Asphalt zu bewältigen. Es ist auch kein historischer Weg, diese Route wurde erst in jüngerer Zeit festgelegt, und wenn ein Hügel in der Nähe war, führte der Weg garantiert hinauf, um danach gleich wieder hinunterzuführen. Touristisch sicherlich sinnvoll, aber als Pilger wünschte ich mir einige Male eine etwas ökonomischere Wegführung. Auf jeden Fall hat es dem Trainingseffekt nicht geschadet. Bezüglich des Wetters hatte ich auch Glück, der Regenschutz blieb bis nach Genf im Rucksack. Landschaftlich muss man nicht viel schreiben, die Schweiz ist einfach wunderschön und jeder einzelne Meter zu Fuss war die Mühe wert.

Hier einige visuelle Eindrücke dieser Route in chronologischer Reihenfolge.